Der Westen IV
Großglockner
Der Großglockner.
1561 wurde er zum ersten Mal in einer Urkunde als „Glocknerer“ erwähnt.
Das „Groß“ kam 1800 in den Berichten über seine Erstbesteigung hinzu.
Doch woher sein Name stammt, darüber streiten sich die Gelehrten.
Vielleicht von „klocken“, dem Donnern von Felsen und Eis?
Oder von Glogga? Das ist der Leithammel in einer Schafherde, der die Glocke trägt.
Denn ragt der Großglockner nicht tatsächlich wie ein Anführer aus der Kette der anderen Gipfel der Hohen Tauern heraus?
Glocknerstraße und Fuschertörl
Ab November herrscht hier heroben Stille.
Winterstille.
Und der Berg ist sich selbst überlassen.
Weiße Stille.
Wenn der Schnee das Werk der Menschen verschwinden lässt.
Erst im April werden die Räumfahrzeuge fahren.
Mit Maschinen dauert es bis zu 25 Tage, um die Straße vom Schnee zu befreien.
Früher, als man von Hand schaufeln musste, sogar bis zu 70 Tage.
Und es brauchte dafür 350 Männer.
Ab Mai ist sie dann wieder befahrbar, zwischen Fusch und Heiligenblut: Die Großglockner Hochalpenstraße.
Eiskögele mit dem oberen Pasterzenboden
Die Großglockner Gletscher sind eine Welt voller fantastischer Formationen.
Im oberen Teil vom Pasterzenboden, östlich vom Johannisberg, liegt der Hufeisenbruch.
Hier fließt das Eis über eine Steilstufe im Gelände.
Mehrere hundert Meter ist sie hoch.
Seine Oberfläche wird von ihr zerrissen, bekommt Spalten und Klüfte.
Doch das sind nicht die einzigen Wunden des Gletschers.
Seit den 1980er Jahren werden die schneefreien, aperen, Stellen immer größer.
Das ewige Eis bekommt nicht mehr genug Nahrung aus den höher gelegenen Firnmulden.
Kitzsteinhorn und Kraftwerk Kaprun
Das Kitzsteinhorn liegt in der Nähe des Großglockner, das heißt, es ist dort gelegen, wo das Dach der alpinen Welt Österreichs, der Berge, weit über 3.000 Meter Höhe angesiedelt ist.
Das Kitzsteinhorn ist gut erschlossen worden, ist eine der ersten Gegenden in Österreich gewesen auch für Sommerschifahren und für Alljahresschifahren.
In der Nähe vom Kitzsteinhorn oder am Fuße liegt der Ort Kaprun, der fast ein Synonym, ein Symbol ist für die österreichische Energiewirtschaft.
Weil das Kraftwerk Kaprun, das vor mehr als 80 Jahren begonnen wurde, dann in der 2. Republik eine ganz große Rolle gespielt hat bei der Energieversorgung Österreichs.
Der Strom aus Kaprun, der saubere Strom aus alpiner Wasserkraft, hat viel zum industriellen Aufbau Österreichs beigetragen, obwohl wir heute
sehr vorsichtig umgehen müssen mit den Gewässern aus den alpinen Regionen aus Umweltschutzgründen.
Aber Kitzsteinhorn und Kaprun/Kaprun und Kitzsteinhorn gehören zusammen und sind wirklich in der Mitte unseres Landes gelegen.
Jungfernsprung
Der Jungfernsprung im Mölltal.
Es heißt, eine Jungfrau sei auf der Flucht vor dem Teufel von dieser Felswand gesprungen.
Doch gütige Engel fingen sie auf und trugen sie sicher zur Erde.
Heute noch stürzt an dieser Stelle der Zopenitzbach 130 Meter tief zu Tal.
Lauscht man genau, so hört man vielleicht in seinem Rauschen den Jubel der Engel über die Rettung der Maid.
Gritzerseen
Wenn man vom Defereggental nach Norden hinaufwandert, in die Venedigergruppe,
verändert sich das Wesen der Landschaft mit jedem Höhenmeter.
Auf die saftigen Almen folgt rauer Stein.
Und erst wenn man glaubt, alles sei nur noch trocken und karg, erreicht man die Gritzer Seen.
Jeder liegt für sich allein in einer Mulde und wartet auf einen Tag mit viel Regen.
Denn dann können sie einander wieder berühren.
Tuxer Alpen
Ein Tag in den Tuxer Alpen.
Voller Wolken.
Satte Schäfchenwolken und verhuschte Mottenwolken,
emsige Mauswolken und behäbige Drachenwolken,
strahlende Prachtwolken und betrübte Kummerwolken,
zarte Schleierwolken und zerzauste Chaoswolken,
Schüchterne Zitterwolken und herrische Donnerwolken.
Wolkentupfen, Wolkentürme, Wolkenwände, Wolkenmauern, Wolkenhügel, Wolkenberge.
Kurzum: Ein ganzes Wolkenvolk.
Nur Wolke Sieben ist leider nicht dabei.
Wilder Kaiser
Zwischen Kufstein und St. Johann in Tirol liegt das Kaisergebirge.
Es wird von zwei markanten Gebirgsgruppen bestimmt: Dem Wilden und dem Zahmen Kaiser.
Seine schroffen Wände sind eine Herausforderung für jeden Kletterer.
Weshalb Kletterpioniere vor hundert Jahren völlig neue Techniken entwickeln mussten, um sie zu bezwingen.
Die schwierigste Route wurde sogar erst 1994 gemeistert, und seither nur wenige Male.
Ihr Name: „Des Kaisers neue Kleider“.
Dreiherrenspitze
Ganz im Westen von Salzburg liegt die Dreiherrenspitze, auch „Picco dei Tre Signori genannt“, denn über ihren Gipfel verläuft seit 1919 die Grenze zu Italien.
Hier grenzten einst die Herrschaftsgebiete der Grafen von Tirol, von Görz und der Salzburger Erzbischöfe aneinander, was der Dreiherrenspitze ihren Namen gab.
Wer diesen Dreitausender erklimmen will, tut dies besser von Südwesten her, weil seine nordöstliche Flanke 450 Meter tief abfällt.
Die erste Besteigung wurde 1866 dokumentiert.
Elf Jahre später stand der Alpinist Viktor Hecht hier heroben und genoss den prachtvollen Blick auf die Gipfel der Hohen Tauern und ins Ahrntal.
In seinem Bericht notierte er: „Die Aussicht fand ich nicht so undankbar, als sie von anderen geschildert wird.“
Und da sage noch wer, nur die Engländer seien Meister im Understatement.
Kufstein
Wenn ich an der Universität Innsbruck Vorlesungen gehalten habe und daher von Wien meistens mit dem Auto nach Innsbruck gefahren bin, dann hab‘ ich oft in Kufstein Station gemacht um noch einen Kaffee zu trinken.
In der Tat hat ja Kufstein eine ganz alte Geschichte. Die reicht zurück bis in die Zeit von Karl dem Großen und vielleicht sogar ein bisschen früher.
Was kein Wunder ist, weil die strategische Lage von Kufstein so ist, dass die Worte „Heiß umfehdet, wild umstritten“ aus der österreichischen Bundeshymne ganz bestimmt auch auf Kufstein zutreffen.
Kufstein liegt am Fluss Inn und der war oft ein Grenzfluss und daher war Kufstein zwischen Tirol und Bayern oft umstritten und ich darf ja sagen, dass wir glücklich sind, dass Kufstein heute zu Tirol und damit zur
Republik Österreich gehört, weil es hat eine wirkliche Schlüsselstelle in dieser Region und es spielt auch für den Fremdenverkehr eine sehr große Rolle. Diese prächtige Burg, diese schöne Stadt, diese herrliche Landschaft.
Talschluss Risstal
Das Risstal, sagt man, sei eines der schönsten Täler im Karwendelgebirge.
Nach Süden zu wird es von drei Spitzen begrenzt: Eiskarspitze, Barthspitze und Spritzkarspitze.
Es sind schlafende Riesen, ermüdet vom Lauf der Geschichte.
Immer weiter haben die Bäume sich an sie herangewagt.
Ihre Flanken erklommen.
Die ganz Kecken haben sogar die felsigen Vorsprünge erobert.
Was, wenn die Riesen eines Tages wieder erwachen?
Werden sie das Grün verärgert von ihren Hängen schütteln?
Oder die mutigen, hartnäckigen Bäume amüsiert betrachten?
Olperergipfel
Falls es einen Superlativ von „zerklüftet“ gibt, dann gebührt er eindeutig dem Olperer.
Dieser höchste Berg in den Tuxer Alpen besteht aus Zentralgneis.
Durch Frostverwitterung ist seine markante Form entstanden.
1867 wurde der Olperer zum ersten Mal offiziell bestiegen.
Mittlerweile ist sein Gipfel ein so begehrtes Ziel für Kletterer, dass im Sommer hier heroben regelrechtes Gedränge herrscht.
Für den Laien bleibt es jedoch unverständlich, wie man diesen „Steinhaufen“ überhaupt bezwingen kann.
Sulzenauferner
In den Stubaier Alpen.
Sulzenauferner heißt einer ihrer Gletscher.
Einer der Größten.
Doch Größe ist relativ.
Die Bewegung, mit der er zu Tal fließt, ist noch raumgreifende Geste.
Kraft und Eleganz in ruhigem Fluss.
Ahnung einstiger Macht.
Ein alternder König.
Seine Kräfte schwinden.
Der felsige Untergrund lässt das Eis brechen,
schafft Risse, Falten, Verwerfungen.
Der weiße Königsmantel schleift im Dreck.
Zerfällt.
Wird Staub.
Was bleibt ist Erinnerung.
Lech östlich von Weißenbach
In Tirol nennen die Einheimischen den Lech auch heute noch den „größten Grundbesitzer im Tal“.
Er ist einer der letzten Wildflüsse der Alpen.
Jahr für Jahr formt er seinen Lebensraum neu.
Steine aus den Seitentälern lagert er ständig um und transportiert sie weiter.
Der Fluss baut Schotterbänke auf und trägt sie wieder ab.
Das einzig Beständige ist die Veränderung.
Burg Laudeck
Unter allen Burgen in Tirol hat die Burg Laudeck vermutlich die spektakulärste Lage.
Von ihrem steil abfallenden Felsen aus überblickt sie das Oberinntal.
Sie war einst ein römischer Wachturm, dann Witwensitz, dann Gerichtssitz und hatte danach vierhundert Jahre Zeit zum schönen Verfallen.
Heute ist die Burg das, was man eine gepflegte Ruine nennt – man kann hier herauf steigen und geführte Besichtigungen unternehmen.
Und einen Fischteich gibt es auch. Der wurde schon zur Zeit desletzten Ritters Maximilian von Habsburg urkundlich erwähnt.
Sulzfluh
Von hier aus sieht man weit nach Graubünden hinein und ins Rätikon.
Der Gipfel der Sulzfluh ist ein Zweiländergipfel.
Aufzeichnungen belegen, dass 1782 zum ersten Mal jemand hier oben gestanden ist.
Hirten und Jäger werden es wohl schon früher gewesen sein.
1955 wurde das riesige Kreuz in ihren Gipfel gesteckt, als wäre der Berg Eigentum des Menschen.
Selbst wenn es übermannshoch ist, ist es nichts als ein winziger Pfeil im Rücken eines gewaltigen Wesens.
Unbedeutend, schwach und vor allem: Vergänglich.
Bodenvorsäß im Bregenzerwald
Im Bregenzerwald liegt das Dürrnbachtal und darin eine kleine Bauernsiedlung: Das Bodenvorsäß.
So ein Vorsäß, oder auch Maisäß wie es genannt wird, ist eine ganz spezielle Alm.
Sie liegt noch unterhalb der Baumgrenze, und die Senner kommen mit ihrem Vieh vor und nach dem Alpsommer für einige Wochen hierher.
Die Hütten vom Bodenvorsäß sind in privater Hand, Grund und Boden jedoch Gemeinschaftsgut.
Diese Idylle gehört allen.
Silvrettastausee und Piz Buin
Diese Region, Silvrettastausee und Piz Buin hab‘ ich kennengelernt nach meiner Matura.
Da hatte ich die Möglichkeit mit einigen Freunden eine Woche in den Bauhütten, die für den Bau des Silvrettastausees verwendet wurden, zu wohnen und von dort aus Bergtouren zu machen.
Das war das erste Mal, dass ich mit dieser Bergwelt persönlich so enge Bekanntschaft machen konnte.
Und viel, viel, viel, viel später war ich das letzte Mal bis jetzt dort, nämlich im Jahr 2010 als Bundespräsident mit Bundesheersoldaten,
mit Alpinsoldaten, für eine Bergtour auf den Piz Buin, den man ja so herrlich sehen kann von den Silvrettastauseen.
Und das ist schon eine Tour, die gewisse Anstrengungen verursacht, vor allem, wenn man schon das 70. Lebensjahr hinter sich hat. Aber ich hab‘ diesen Ausflug in bester Erinnerung,
diese Bergtour. Und wir haben eine große österreichische Fahne mitgehabt, die wir dann mit Stolz am Gipfel des Piz Buin gehisst haben. Das werd' ich nie vergessen.
Abbruch Kanisfluh
Kannst du dich noch erinnern wie du damals in der Wiese gelegen bist, als du klein warst, und nach oben geschaut hast?
Die Bäume sind zu dir hinuntergewachsen und die Wolken zu dir hergezogen.
Und die Berge haben sich über dich gebeugt, um zu schauen, ob es dir eh gut geht.
Und auf einmal hast du verstanden, dass die ganze Welt nur für dich gemacht worden ist.
Irgendwann bist du dann aufgestanden, und da hat sich die Welt gedreht.
Die Bäume waren weit weg, und die Berge noch weiter.
Dabei sind's doch noch immer dieselben Bäume und dieselben Berge, die nur für dich geschaffen worden sind.
Auch hier, im Bregenzerwald, an den Hängen der Kanisfluh.
Rheinmündung Bodensee
Andere Flüsse münden in einen See, nicht so der Rhein.
Er wird in den Bodensee geleitet.
Ein Kanal führt ihn in Richtung Seemitte, weil er tonnenweise Geschiebe aus den Alpen mit sich bringt.
Erst Kilometer vom Ufer entfernt mischt sich nach und nach das Wasser von Fluss und See.
Nur sehr zögernd gewöhnen sie sich aneinander.
Die beiden uralten Sturschädel.
Wallfahrtskirche Basilika Rankweil
Mitten in Rankweil steht der Liebfrauenberg und trägt das Wahrzeichen der Marktgemeinde: Die Basilika Mariä Heimsuchung.
Seit vielen Jahrhunderten suchen Menschen hier Schutz bei der Gottesmutter.
Nicht nur im übertragenen Sinn. Denn durch ihre Befestigungen ist die Wallfahrtskirche zugleich eine Wehrkirche.
Die kriegerischen Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Heute kann man von hier oben einfach den Blick genießen.
Auf den Weinberg, auf Rankweil und auf das Rheintal.
Lechursprung und Formarinsee
Hoch über dem Klostertal, auf fast zweitausend Meter Höhe, eingefasst von Formaletsch und Roter Wand liegt der Formarinsee.
Ganz in seiner Nähe entspringt ein kleiner Bach, der Formarinbach.
Er sucht sich seinen Weg zu Tal, schlängelt sich dahin, zwischen den schroffen Bergwänden.
Einige Kilometer weiter vereinigt er sich mit dem Spullerbach und die beiden ändern ihre Namen in Lech.
Denn sie sind seine Quellflüsse.
Großes Walsertal
Auf den Bergen nördlich vom Großen Walsertal.
Bevor der Tag geht, streift er noch einmal um die Berge und legt ihnen zum Abschied Bänder aus Farbe um die Hänge.
Und den Nebel senkt er auf die Täler mit einer Hand, die es gut meint.
Sehnsucht verliert sich in der Ferne, nur die Berge wachen.
Wachen Nacht für Nacht.
Lech am Arlberg
Über dem Arlberg ist es schon hell, doch der Ort Lech liegt noch im Dunkeln.
Die Sonne wird sich erst nach und nach zur Talsohle vortasten.
Seit mehr als 100 Jahren verbringen Gäste hier ihren Traumurlaub.
Darunter berühmte und gekrönte Häupter.
Zur Stunde können sie noch schlafen.
Nur die Unbekannten, Ungekrönten, die ihnen die Urlaubsträume wahr machen, die müssen schon aufstehen.
Rote Wand im Lechquellengebirge
Im letzten Licht der Sonne beginnt die Rote Wand zu glühen.
Ihr markantes Band aus blassrotem Kalk wird zu einem schimmernden Gürtel.
Ihm verdankt sie auch ihren Namen.
Die Rote Wand ist nicht der höchste Berg im Lechquellengebirge, doch vielleicht der mit dem stärksten Charakter.
Jeder Berg hat sein eigenes Wesen. Es lässt sich nicht erfassen, indem du den Gipfel bezwingst.
Nur Schweigen, Geduld und Ehrfurcht bringen dich Schritt für Schritt zu ihm, und damit auch zu dir selbst.
Großglockner vom Dorfertal
Leise wandelt sich der Tag.
Das Blau des Abends liegt schon auf den Flanken vom Großglockner.
Unmerklich wird es zum Dunkel der Nacht.
Der Philosoph Romano Guardini:
„Der Tod ist nur die uns zugewandte Seite jenes geheimnisvollen Ganzen,
dessen andere Seite Auferstehung heißt.“