Der Norden IV
Traunsee
Unter den Wolkenschleiern versteckt sich schüchtern,
wie ein Trau-mich-nicht-See, der Traunsee.
Doch wehe der Viechtauer zieht auf. Ein abrupter Gewitterwind von Westen.
Dann färbt sich sein Wasser dunkel und schlägt mannshohe Wellen.
Aber an Tagen wie heute ist er heiter und zutraulich,
und welcher Name würde besser zu ihm passen als der, den ihm die Römer einst gaben: „lacus felix“, „glücklicher See“.
Litzlberg
Nur 6.000 Quadratmeter ist die Insel groß.
Mancher Garten ist größer.
Also eine kleine Insel.
Auf Englisch würde man „little“ sagen.
„Lützel“ auf Mittelhochdeutsch.
Und heute: Litzlberg.
Sie befindet sich im Privatbesitz und wurde durch einen ihrer Besucher weltweit bekannt.
Um 1900 verbrachte Gustav Klimt hier die Sommerfrische und malte einige seiner berühmten Bilder.
Von Schloss Litzlberg und vom Attersee.
Ennstal bei Großraming
Malerisch und etwas verträumt wirkt das Ennstal bei Großraming.
Möglicherweise sogar melancholisch.
Die große Zeit der Eisenwurzen ist schon lange vorbei.
Ihre Hochblüte war im 15. und 16. Jahrhundert, als die Schätze aus dem Erzberg in Hammerwerken und Schmieden zu hochwertigen Klingen verarbeitet wurden.
Flöße und Schiffe brachten das Erz es auf der wild dahin strömenden Enns Richtung Donau.
Abgelöst wurden sie 1860 durch die Kronprinz-Rudolf-Bahn, deren Trasse am linken Ufer der Enns verläuft.
Am rechten Ufer flankiert ein weiterer Transportweg den Fluss.
Sein Name erinnert noch an die alten, glanzvollen Zeiten: Es ist die Eisenstraße.
Steyr
Steyr ist eine alte Industriestadt, die im 19. Jahrhundert in der Industrialisierung sehr gewachsen ist und auch viele soziale Probleme hatte, im zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, aber sich dann nachher prächtig entwickelt hat.
In Steyr hat‘s einen roten Bürgermeister gegeben, der Weiß geheißen hat und der wurde abgelöst von einem roten Bürgermeister, der Schwarz geheißen hat. Das hat mir auch gefallen und ich hab’ herzlich gelacht dazu.
Und gemerkt hab‘ ich mir auch, dass ich als Wissenschaftsminister mithelfen und mitentscheiden konnte, dass in Steyr das Museum der Arbeitswelt gebaut werden konnte und sich sehr gut entwickelt hat.
Kindheitserinnerungen an Steyr hab‘ ich, weil wir auf dem Weg in den Urlaub im Sensengebirge in der Nähe von Molln, einem heutigen Nationalparkgebiet, oft in Steyr Station gemacht haben. Weil das war die erste Stadt nach
dem Ende der sowjetischen Besatzungszone, die man ja in Niederösterreich durchqueren musste, um nach Oberösterreich zu kommen.
Also, Steyr schätz ich sehr.
Innkreis bei Hangöbl
Das jüngste Viertel von Oberösterreich ist das Innviertel.
Erst vor knapp 250 Jahren kam es durch den Frieden von Teschen zu Österreich.
Davor gehörte es zu Bayern und trug die Bezeichnung Innbayern.
Wiesen und Felder bestimmen seinen Charakter.
Vor allem aber die große Zahl von einzelnen Gehöften, die so über das flache Land verstreut sind,
als hätte wer im Übermut eine Kiste mit Bausteinen ausgeleert.
Inn Auen bei Braunau
Einst war der Inn gefürchtet wegen seiner Hochwasser.
Um ihn zu zähmen und schiffbar zu machen, wurde er seit dem 19. Jahrhundert gestaut und es wurden Kraftwerke errichtet.
Doch der Fluss holte sich seinen Lebensraum zurück, wie hier in der Hagenauer Bucht, östlich von Braunau.
Als Gletscherfluss führt der Inn Tonnen von Sedimenten mit sich.
Durch ihre Ablagerung bilden sich Anlandungen und Inselchen.
So entstehen erneut Lebensräume für zahlreiche Fisch- und Vogelarten.
Schloß Riedegg im Mühlviertel
Wer mittelalterliches Lebensgefühl spüren möchte, ist hier genau richtig: Auf Schloss Riedegg.
Die imposante Anlage im südlichen Mühlviertel, eine ehemalige Trutzburg, glänzt heute als bestens restaurierte Renaissance-Anlage.
Zum Heiraten kommen die Leute heute her, und auch zum Bogenschießen.
Und ein Missionsorden aus Südafrika hat sich auch hier eingemietet und richtete ein Bildungshaus ein.
Die alten Schlossherren von Starhemberg könnten stolz sein darauf, was aus ihrer Burg geworden ist.
Stift Waldhausen
Im späten Mittelalter gründeten Augustiner Chorherren nördlich von Sarmingstein ein Haus im Walde:
„Silva Domus“. Heute „Stift Waldhausen“.
Die josephinische Klosterreform 1792 überstand es allerdings nicht und wurde aufgelassen.
Doch nicht nur das. Teile seiner Gebäude wurden abgerissen und das Material zum Bau der Franzensburg im Park von Laxenburg im Süden von Wien verwendet.
Und der ehemalige Stiftsbrunnen sprudelt heute in Stift Melk.
Felder im Mühlkreis bei Freistadt
An einem Morgen im Nordwesten von Freistadt.
Ackerland und Wald, Menschenwerk und Natur,
fügen sich ineinander, werden zur Geometrie der Landschaft.
Zwischen den Zeilen der Felder ist die Zeit lesbar:
Pflügen, Säen, Wachsen, Ernten.
Morgendunst verwischt die starren Linien,
hebt die Grenzen auf zwischen Mensch und Natur und Zeit.
Einssein mit allem, ist Glück, in seiner reinsten Form.
Pöstlingberg
Auf dem Pöstlingberg, dem Hausberg von Linz, thront eine Wallfahrskirche.
Weithin sichtbar ist sie erst seit 1809, als napoleonische Truppen den Gipfel abholzen ließen, um Barrikaden zu errichten.
Heute gelangt man friedlich und bequem hier herauf, mit einer Bergbahn direkt vom Linzer Hauptplatz aus.
Und wer vom Bahnfahren dann noch nicht genug hat, für den gibt es neben der Basilika auch noch eine Grottenbahn.
Dachstein mit Kolomannsberg und Mondsee
Was für eine prachtvolle Bühne ist das Salzkammergut, mit dem Dachstein als Kulisse.
Für gewöhnlich definiert eine Kulisse im Theater nur den Schauplatz des Geschehens.
Anders der Dachstein. Er dominiert ihn.
Verweist den Schafberg und den Mondsee in die Rolle von Statisten,
nur dazu angelegt, ihn noch größer erscheinen zu lassen.
Egal, welches Schauspiel sie bieten, der Dachstein bleibt der alles beherrschende Berg, in steinerner Haltung erstarrt.
Dachstein Panoramafahrt
Der Dachstein.
Er hat viele Gesichter, dieser Gebirgsstock.
Und je nachdem, von welcher Seite man sich ihm nähert, sieht man ein anderes.
Von Westen, von Salzburg her, zeigt er sich mit dem Gosaukamm,
dem wild gezackten Felsgrat, aus dem die Bischofsmütze hervorsticht.
Danach folgen die ruhigen Flächen von Gosaugletscher und Hallstätter Gletscher.
Doch die Ruhe täuscht, das ewige Eis ist mit Spalten und Klüften durchzogen.
Wendet man sich nach Osten, kommt man zu einem Karsthochplateau,
das wie eine unwirkliche Mondlandschaft vor einem liegt.
Es heißt schlicht „Am Stein“ und seine Felsen sind älter als der Dachsteingipfel
und stammen aus einer Zeit, als die Alpen noch nicht zum Hochgebirge geformt waren.
Alles das ist der Dachstein.
Matrashaus
Das bei Bergsteigern sehr bekannte und berühmte Matrashaus liegt genau am höchsten Punkt des Hochkönig, der wiederum ein zentraler Berg im Steinernen Meer ist, das diesen Namen wirklich verdient.
Das Matrashaus reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, ist vor einiger Zeit abgebrannt und daher heute modern und erneuert. Es ist ein beliebter Touristenpunkt, ein Zielpunkt, für Bergtouren bis knapp an 3.000 Meter heran.
Ich fühl mich mit der Gegend und mit diesem Berg auch verbunden, weil die Mutter meiner Frau, die Anni, aus einer Eisenbahnerfamilie in Saalfelden stammt mit vielen Kindern.
Und die hat als Mädl in den späten 20er und frühen 30er Jahren sich Geld verdient als Hüttenmadl, wie man gesagt hat - also als Kellnerin, Serviererin, Köchin auf verschiedenen Berghütten,
darunter auch dem Matrashaus. Und diese Hütten haben wir immer mit einer gewissen Liebe oder mit einer gewissen Ehrfurcht besucht.
Wir waren in der Gegend, nämlich in Maria Alm, sehr, sehr oft Schifahren.
Aber auch die anderen Täler und Berge in dieser Region, vor allem wenn schönes Wetter ist, sind unübertrefflich schön und ich liebe diese Gegend wirklich.
Hab sie mir ausgesucht.
Wenn man einen schönen, richtigen Wandertag erwischt, dann kommt man gar nicht heraus aus dem Genuss dieser Wanderungen und vor allem dieser Gipfelbesteigungen.
Altausseer See
An Sonnentagen ist der Altaussee See ein Paradies.
Was aber macht der Sommerfrischler bei Schnürlregen, von dem es im Salzkammergut wahrlich genug gibt?
Der Schriftsteller Raoul Auernheimer, einer von zahlreichen Literaten, die um die Jahrhundertwende hier den Sommer verbracht haben, hat es uns überliefert:
„Die wochenlangen Regenperioden steigerten die literarische Betriebsamkeit.
Der Regen, der die Waldwege vermurte, segnete unsere Feder.
Es lag nahe, in solchen Zeiten den schwarzen See mit einem riesigen Tintenfass zu vergleichen,
in das die im Kreiseherumsitzenden Dichter ihre Federkiele tauchten!“
Wörschachwald
Nördlich von Schloss Trautenfels liegt der Wörschachwald.
Rund tausend Meter ist der Höhenrücken hoch und würde damit anderswo leicht als Berg gelten.
Doch hier, Auge in Auge mit den Niederen Tauern, die bald einmal tausend Meter höher sind, ist er kaum mehr als ein Mugel.
Dafür schafft er es, das Ennstal noch flacher wirken zu lassen, weil er so abrupt aus dem Talboden wächst.
Alles also nur eine Frage der Perspektive.
Jägersee
In den Radstädter Tauern, kurz vor dem Talschluss des Kleinarltals, liegt versteckt der Jägersee.
Er ist kein natürlicher See, sondern wurde im 18. Jahrhundert von den Salzburger Fürsterzbischöfen als Fischteich angelegt.
Wegen der vielen Fasttage brauchten sie große Mengen Fisch, die von einem eigens bestellten Hoffischer gefangen wurden.
Noch heute tummeln sich im Jägersee Saiblinge und Forellen, allerdings nicht mehr für Erzbischöfe.
Weide im Rauristal
Schön ist sie ja schon, so eine hochgelegene Alm, wie hier im Rauristal.
Ein Paradies für jede Kuh.
Jede Kuh?
Wirklich?
Fia so a oage Wiesn wi di,
brauchst schon de richtigen Oipnkia.
Weu sonst mochts an Rutsch
und des Viech is futsch.
Oder du gibst eam a Klettergschia.
Seeleitensee und Heratingersee
Die größte zusammenhängende Moorlandschaft in Österreich ist das Ibmer Moor im oberen Innviertel.
Zu einem Moor gehören selbstverständlich auch Moorseen. Hier sind es zwei.
Der kleine Seeleitensee liegt in einer Mulde, die ihm der Salzachgletscher in der letzten Eiszeit geschaffen hat.
Seine Ufer sind verschilft, und er besitzt einen Gürtel aus Seerosen.
Baden ist in ihm nicht erlaubt, er gehört allein der Natur.
Anders beim Heratinger See. Weil er ein Moorsee ist, ist seine natürliche Temperatur auch relativ hoch.
Im Sommer bis zu 26 Grad. Das freut die Badenden. Aber leider auch die Algen.
Maria Plain
Vor den Toren von Salzburg liegt die Basilika Maria Plain.
Um ihr Gnadenbild, eine Madonna mit Jesuskind, ranken sich viele Legenden.
Nachgewiesen ist, dass es aus dem bayrischen Ort Regen stammt.
Im dreißigjährigen Krieg soll es bei einem Brand auf wundersame Weise verschont geblieben sein.
Doch selbst wenn man nicht an Wunder glaubt, allein der Blick von hier auf die Stadt Salzburg ist wundervoll.
Tennengebirge mit Blick nach Osten
Das Tennengebirge ist nicht besonders groß, aber schroff.
Aus seinem Gipfelplateau ragen einige Zweitausender, die durch Grate miteinander verbunden sind.
Den Tauernkogel oder den Eiskogel zu besteigen, ist anspruchsvoll. Dafür wird man von einer spektakulären Szenerie erwartet.
Genauer gesagt einem Karstgebiet mit allen Abstufungen von öder zu reichgestaltiger Hochgebirgslandschaft, wie die Fachleute sagen.
Trittsicher muss man jedenfalls sein. Denn die steinige Hochebene ist so eben nicht, sondern bekannt für die vielen Löcher im Boden.
Überhaupt ist das gesamte Tennengebirge durchlöchert wie ein Stück Käse, mit mehr als tausend bisher dokumentierten Höhlen.
Damit gehört es zu den höhlenreichsten Gegenden Europas. Und mit der Eisriesenwelt besitzt es sogar die größte Eishöhle der Welt.
Ennstal bei Schladming mit Blick nach Westen
Das Ennstal bei Schladming, mit Blick nach Westen, in einem Augenblick zwischen Wachen und Träumen.
Rainer Maria Rilke:
„Eben bin ich so sanft erwacht.
Ich dachte, ich würde schweben.
Bis wohin reicht mein Leben,
und wo beginnt die Nacht?
Ich könnte meinen, alles
wäre noch Ich ringsum;
durchsichtig wie eines Kristalles
Tiefe, verdunkelt, stumm.“
Salzastausee
Zwischen dem Grimming und den Ausläufern vom Dachsteinmassiv hat die Salza eine tiefe Schlucht geschaffen.
Und damit zugleich einen natürlichen Talpass vom Hinterberger Tal im Norden zum Ennstal im Süden.
Ende der 1940er Jahre wurde der Fluss gestaut.
Der See ist nun fünf Kilometer lang, aber nur 80 bis 150 Meter breit.
Gesäumt ist er von steilen Berghängen, die fast 500 Meter hoch aufragen
und so den Eindruck verstärken, eigentlich in Norwegen zu sein, an einem Fjord.
Stoderzinken und Dachstein
An solch einem Morgen im Ennstal, wenn der Nebel dicht über den Niederungen liegt
und die Welt in ein oben und unten teilt, nicken die Berggipfel einander freundlich zu.
Mit dieser besonderen Höflichkeit, die man dem anderen entgegenbringt, den man zwar schon lange kennt, aber nur vom Sehen.
Der Stoderzinken grüßt den Dachstein. Die Tauern lächeln herüber. In stillem Einverständnis.
Heute ist man unter sich. Kann Berggedanken nachhängen. Den Tag vorüberziehen lassen und mit ihm den Nebel.
Um am nächsten Tag wieder daraus aufzutauchen. Erhabener und schöner als je zuvor.
Arthur Schopenhauer:
„Erst der Verlust belehrt uns über den Wert der Dinge.“
Grimming
Er steht für sich.
Ganz für sich.
Und schaut dadurch noch massiver aus: Der Grimming.
Einer der höchsten freistehenden Berge in Europa.
Felsfluchten aus Dolomit und Dachsteinkalk.
Flucht nach oben, Himmelwärts.
So steil, dass man im Mittelalter geglaubt hat, er sei der höchste Berg der Steiermark.
Man gab ihm deshalb einen Ehrentitel: Mons Styriae altissimus.
2350 Meter ist er hoch und von seinem Gipfel aus hat man ein Meer aus Grün zu Füßen: Das Ennstal.
Heute allerdings ein Meer von Weiß und Wolken, aus dem er als das herausragt, was er ist:
Inselberg und einsamer Riese.
Grundlsee im Winter
Am Grundlsee war ich das erste Mal vor 73 Jahren und das letzte Mal vor einigen Monaten und dazwischen sehr, sehr häufig.
Das erste Mal nach dem Krieg in einem Heim für Kinder. Und da hab‘ ich am Grundlsee schwimmen gelernt.
Und das letzte Mal, weil ich jetzt schon seit Jahren meine Urlaube zumindest zum Teil im Salzkammergut verbringe und immer wieder auch hinüberfahr zum Grundlsee.
Weil ich den See schätze, weil ich die Umgebung schätze und weil ich die Bergwanderungen schätze, die man rund um den Grundlsee machen kann.
Außerdem zählt der Grundlsee zu jenen Seen, wo ein relativ großer Prozentsatz der Uferstrecke nicht verbaut oder nicht im Privateigentum ist, sondern wirklich zugänglich ist für die Bevölkerung.
Das hat man so sich bewahrt und das macht mir den See zusätzlich sympathisch.
Westgrat Dachstein
Der Dachstein.
Uralter steinerner Herrscher in den nördlichen Kalkalpen.
Viele Jahre galt er als unbezwingbar.
Freilich, Hirten und Wilderer werden schon auf seinem Gipfel gestanden sein.
Doch ihre Namen kommen in keiner Chronik vor.
Erst 1832 ist von einem Peter Gappmayer aus Filzmoos die Rede.
Er bezwang den Dachstein im Alleingang, über den Westgrat.
Mehr ist von diesem Mann nicht bekannt. Aber mutig muss er gewesen sein.