Der Westen III
Hoher Ifen
Wie Pranken liegen die Hänge des Hohen Ifen auf dem Land, als wolle er zeigen: An diesem Ort gilt mein Gesetz.
Hier, westlich vom Kleinwalsertal, verläuft die Grenze zu Deutschland als spitzer Zacken, der genau auf den Gipfel vom Hohen Ifen zielt. Und damit besitzt das Nachbarland auch ein Stückchen von diesem majestätischen Berg.
Doch ebenso mächtig wie er, vielleicht sogar mächtiger, sind Sonne, Wind, Regen, Schnee und Eis.
Nur ihnen gelingt es, den Berg so zu formen. Und die Pflanzen an seinen Hängen weben ihm einen Königsmantel aus Grün.
Hall in Tirol
Hall ist das keltische Wort für Salz, und Salz war es auch, das Hall in Tirol reich gemacht hat.
Im Mittelalter wurde der Ort zum ersten Mal in einer Urkunde
erwähnt, seit 1303 besitzt er das Stadtrecht.
Er war einer der wichtigsten
Markt- und Handelsplätze in Tirol. Von hier aus wurde das Salz auf dem Inn
verschifft.
Die letzte Saline wurde 1967 geschlossen, doch wie bedeutend Hall früher war, ist immer noch spürbar.
Achensee
Der größte See von Tirol ist der Achensee.
Er liegt nördlich von
Jenbach, und wer mag, kann von dort mit der Dampflok zum See fahren.
Für die
knapp sieben Kilometer braucht er freilich 50 Minuten.
Endstation ist in Seespitz, wo die Schiffe anlegen. Und das schon
seit dem 16. Jahrhundert.
Weil die Landesfürsten den See zum Fischen nutzten, entwickelte
sich reger Schiffsbetrieb.
Später kamen Frachtschiffe dazu, um Fuhrwerke
zwischen Bayern und dem Inntal zu transportieren.
Heute geht es nur noch ums Vergnügen, wenn die Ausflugsschiffe
nach Pertisau, Achenkirch oder zur Gaisalm fahren.
Kalkkögelgruppe westlich von Fulpmes
Aus dem weichgeformten Grün der Stubaier Alpen ragt schroff und
wildzackig die Kalkkögel Gruppe.
Ihre Silhouette erinnert an die Dolomiten. Und
tatsächlich besteht auch sie aus Dolomit.
Wind, Wasser und Eis ließen den Fels
erodieren. Zurück blieben die spröden Nadeln der Kalkkögel.
Sie sind eine Herausforderung für jeden Kletterer. Auch wenn der
Alpinist Alfons Zimmermann schon im Jahre 1922 einräumen musste:
„Ihre Ersteigung, die nur reinen Kletterwert hat, ist sehr
schwierig, das Gestein zum Teil sehr brüchig,
der Gipfel so schmal, dass er nur
für eine oder höchstens zwei Personen Platz gewährt.
Der Anblick dieser überaus
schlanken Gebilde ist daher empfehlenswerter als ihre Ersteigung.“
Gletscherzunge Pasterze
Am Großglockner.
Noch ist das Wasser des Gletscherbachs kalt. Eiskalt.
Noch kommt es aus dem ewigen Eis der Pasterze.
Auch wenn der Gletscher Jahr für Jahr an Größe und Mächtigkeit verliert.
Der sanfte Schwung, mit dem seine Zunge hier zu Tal fließt, täuscht.
Die Spaltenzonen an seinem Rand sind sehr gefährlich.
Wer den Gletscher von hier aus begehen will, braucht Erfahrung, Können, und vor allem Respekt.
Teischnitzkees und -tal
Die Täler im Großglocknermassiv haben ganz unterschiedlichen Charakter. Das Teischnitztal ist ein kaum erschlossenes Hochtal an der Südwestseite.
Gelangt man an sein Ende, steht man vor dem gewaltigen Felsabbruch unterm Teischnitzkees. Dessen Gletscherzunge reichte früher bis auf den Talboden.
Heute ist dort nur noch ein kleiner Rest, das „graue Kees“, ein mit Schutt und Staub bedeckter kleiner Gletscher, der nur von Eis- und Schneelawinen genährt wird.
Über den blanken Fels sprudelt das Schmelzwasser in unzähligen kleinen Rinnsalen, die sich zum Bach vereinigen: Dem Teischnitzbach.
Sein Name kommt vermutlich aus dem Slawischen und bedeutet: Regenbach. Doch Regen ist wohl das Letzte, woran man beim Anblick des Teischnitztales denkt.
Iseltal
Zwischen dem Defereggengebirge im Westen und der Schobergruppe im
Osten fließt die Isel.
Sie kommt vom Umbalkees in der Venedigergruppe und ist
ein Gletscherfluss.
Ihre „Spring-Lebendigkeit“ hat man ihr erhalten. Noch.
Sie ist einer der letzten großen, frei fließenden Alpenflüsse in
Österreich – ohne Stau oder Ausleitung.
Daher bietet sie Lebensraum für Tiere
und Pflanzen, die woanders bereits selten geworden sind.
Vorbei an St. Johann im Walde und Ainet fließt die Isel nach Lienz, wo sie in die Drau münden wird.
Venediger Gruppe, Wildensee
In der Venedigergruppe, nördlich von Matrei.
Die Bergkämme sind nadelspitz
geschliffen.
Scharfkantige Wächter über dem
Wildensee.
Sie umschließen ihn eng, stehen
Schulter an Schulter,
um sein magisches Grün
vor Blicken zu schützen.
Hochvogel
„Majestätisch, wie ein großer Vogel, der seine Schwingen ausbreiten will zum Höhenflug“ – heißt es über den Hochvogel.
Wohin würde er wohl fliegen? Ins Tiroler Lechtal oder ins Allgäu? Denn genau über seinen Gipfel verläuft die Staatsgrenze.
Sein Name leitet sich ab von den „hohen Vögeln“ – Adler und Geier – deren Lebensraum freilich keine Grenzen kennt.
Schwaz
Am Fuß der Burg Freundsberg liegt die Stadt Schwaz und dahinter
breitet sich das Inntal aus.
Erbaut wurde die Burg im Mittelalter, vermutlich nur als Wohnturm.
Umgestaltet dann im 16. Jahrhundert, zur selben Zeit als die Stadt ihre
Hochblüte hatte.
Damals war Schwaz eine der bedeutendsten Städte im Habsburgerreich
und sogar die größte Bergbaumetropole in Europa.
Ihr Beiname „Silberstadt“ erinnert bis heute daran.
Hintertuxer Gletscher
Seit den 1960er Jahren werden in
Österreich die Gletschergebiete von den Wintersportlern erobert.
Auf dem
Hintertuxer Gletscher kann man sogar das ganze Jahr über skifahren oder
snowboarden.
Doch der Pistenskilauf hat seinen
Preis.
Die technischen Maßnahmen greifen in das sensible Ökosystem der
hochalpinen Natur ein.
Liftanlagen und Pistengeräte
verursachen Emissionen –Menschen verursachen Müll.
Zusätzlich steigt die Bebauung: Es
braucht Lifte und Seilbahnen, Parkplätze und Restaurants,
damit man hier ein
paar Stunden lang zu seinem Vergnügen kommt.
Fragt sich wie lange überhaupt
noch, denn der Klimawandel lässt die Gletscher Jahr für Jahr schrumpfen.
Gopfberg südlich von Bezau
Im Bregenzerwald, zwischen Bizau, Schnepfau, Mellau und Bezau liegt der Gopfberg.
An seinen Hängen sind Almen – die hier freilich Alpe heißen – und
auf denen seit Jahrhunderten
Kühe und Ziegen weiden – welche die Milch für den
berühmten Vorarlberger Bergkäse geben.
Jawohl - DEN Vorarlberger Bergkäse! Bei dem man sich immer
fragt:
Wia kann us so oanra liaba Landschaft bloß so an Käs mit so oanam räsiga Gruch ko?
Lünersee
Der Lünersee liegt auf knapp zweitausend Metern Höhe.
1959
bekam das Juwel vom Rätikon – wie ihn die Einheimischen nennen – eine Fassung aus Beton.
Der See wurde zur
Stromgewinnung gestaut. Dadurch wurde der größte natürliche Hochgebirgsee
von
Österreich noch ein Stückchen größer und zugleich zum größten Stausee in
Vorarlberg.
Nur
dreißig Jahre zuvor stand in einem Reisebericht zu lesen:
„Kommt
man das Brandner Tal hinauf, erblickt man am Fuß der Schesaplana mit einem
Schlag ein ins Hell
und Dunkel spielendes Gewässer, um das in grenzenloser
Verlassenheit nackte Felsen und Klippen stehen“
Heute
gibt es die Lünerseebahn.
Die
grenzenlose Verlassenheit hatte somit auch ihre Grenzen.
Güterzentrum Wolfurt
Was früher Frachtenbahnhof hieß, heißt jetzt Güterzentrum – vielmehr:
Container Terminal.
Südlich von Bregenz – in Wolfurt – ist so einer.
Gebaut wurde er 1981. Seither ist alles gewachsen.
Der Güterverkehr ist gewachsen – heute werden allein in einem
Monat mehr Container umgeschlagen als 1992 im ganzen Jahr!
Der Bahnhof musste mitwachsen. 2018 ist seine Nutzfläche doppelt
so groß wie bei seiner Errichtung.
Ja selbst die Beleuchtungsmasten sind gewachsen, und sind nun bis
zu 36 Meter hoch.
Timmelsjoch
Wie brutal die Steigung ist, merkt man besonders, wenn man mit dem Rad hier herauf fährt,
auf fast 2.500 Meter, zum Timmelsjoch, dem Pass, der das Ötztal mit dem Passeiertal verbindet,
Österreich mit Italien.
Schon in der Steinzeit waren Menschen hier unterwegs, ab dem Mittelalter florierte der Handel.
Die berühmten Ötztaler Kraxenträger transportierten die Waren zu Fuß, Säumer mit Pferden und Maultieren.
Und heute kann man von Mai bis Oktober mit Auto oder Motorrad über das Timmelsjoch fahren, oder eben mit dem Fahrrad.
Hochtannbergpass
Der Schnee nimmt der Landschaft die Schärfe und lässt die Hänge sich weich ineinanderschieben.
Von Warth führt die Straße über den Hochtannbergpass.
Dieser Übergang zwischen dem Lechquellengebirge und den Allgäuer Alpen wird seit vielen Jahrhunderten genutzt.
Erst vor rund 70 Jahren wurde er ausgebaut und 1954 als Bundesstraße eröffnet.
Die Passhöhe selbst liegt in einer Almlandschaft.
Doch der sanfte Charakter täuscht. Gleich nach dem Pass geht es steil hinunter in Richtung Schröcken.
Hochspannungsleitung oberhalb Nauders
In den Bergen oberhalb von Nauders hätte Joseph von Eichendorff vielleicht geschrieben:
O du moderne Zeit,
Hast uns weit gebracht
über die Berge weit,
über die Berge weit.
Na dann gute Nacht!
In der Einsamkeit
brummt es nun sacht,
auf den Bergen weit,
auf den Bergen weit.
Na dann gute Nacht!
Allerheiligenkapelle im Virgental
Das älteste Kirchlein im Osttiroler Virgental versteckt sich im
Wald auf knapp 1.700 Metern Höhe.
Die ersten Christen in dieser Gegend sollen hier - besser gesagt,
in einer Höhle in der Nähe - heimlich Gottesdienste gefeiert haben.
Weil man sie nicht entdeckt hat, bauten sie zum Dank eine Kapelle,
die der Verehrung aller Heiligen gewidmet ist.
Auch wenn diese Zeiten längst Geschichte sind, liegt die
Allerheiligenkapelle bis heute im Schutz der Bäume.
Nur von Marin führt ein Weg herauf. Natürlich ein Kreuzweg.
Innsbruck
Von der Nordkette löst Du Dich vorsichtig – gleitest in die Weite, die sich nun vor dir auftut – das Inntal.
Darin ausgebreitet: Innsbruck.
Stein – eben noch unbehauen und roh –
ist jetzt gewürfelt und
scharf begrenzt, geradlinig und geordnet.
Weich bleibt dagegen der Inn – als geschwungenes Band –
zwischen den starren Achsen von Straßen und Gassen,
in Flussfarben glänzend im Häusermeer.
Gegensatz und Verbindung, Widerpart und Gefährte.
Plansee und Heiterwangersee
Wenn im Winter die Berge ihr Bild auf den Plansee legen, bewahren sie auf diese Weise die Welten voreinander.
Die obere vor der unteren und die untere vor der oberen.
Denn so will es die Sage, das ist die Zeit, in der hier nachts die Wilde Jagd durch die Lüfte tobt.
Hinweg über den Plansee, hinweg über den Heiterwanger See und hinaus in die Weite vom Außerfern,
wo sie wieder verschwindet – als wäre sie nie gewesen.
Wolkenmeer Alpenhauptkamm
MarcAurel:
„Betrachte die ganze Natur, wovon du nur
ein winziges Stücklein bist,
und das ganze Zeitmaß, von welchem nur ein kurzer
und kleiner Abschnitt dir zugewiesen ist,
und das Schicksal, wovon das deinige
nur ein Bruchteil bildet.“
Fruschnitzkees
Am Fruschnitzkees im Glocknergebiet.
Wenn es Abend wird,
streift das Licht
dem Berg
den Tag von den Schultern,
und er zeigt Dir
sein anderes Gesicht:
mit weichen Kanten
und sanften Falten,
mit fließendem Eis
und verletzlichem Fels.
In einem so feinzarten Moment
tritt das Wesen hinter dem Wesen der Dinge
hervor
und du verstehst vielleicht,
wer du bist
und warum.